Abendliche Abenteuer in Esfahan

Eine Brücke zwischen Tag und Nacht

Die Pol-e Chadschu ist eine der bekanntesten Brücken Esfahans und zugleich eines ihrer Wahrzeichen. An den 23 Backsteinbögen sind Schleusentore angebracht, die geschlossen werden können, um das Wasser des Zayandeh Rud aufzustauen und damit die Bewässerung von Gartenanlagen flussaufwärts sicherzustellen, wenn er zu wenig Wasser führt. Doch jetzt liegt das Flussbett tatsächlich komplett ausgetrocknet vor mir. Leider herrscht seit vielen Monaten extreme Wasserknappheit. Der Anblick des bis zu ca. 130 Meter breiten Sandstreifens vermittelt einen recht eindrucksvollen Eindruck davon, wie lange die Dürre schon anhält.

Die Brücke ist für Kraftfahrzeuge gesperrt. Man flaniert gemütlich entlang der beleuchteten Torbögen oder zieht sich in ihnen zurück. Die untergehende Sonne taucht alles in ein Licht, das zum Träumen und Verweilen einlädt. Wir lassen uns Zeit beim Überqueren, um die Stimmung zu genießen, wie sich Sonne und Mond auf den gegenüberliegenden Torseiten ihres kurzweilig gemeinsamen Auftritts voneinander verabschieden.

Es wird immer dunkler und mit jedem Moment wächst die Faszination für diesen Ort, der wirklich wie ein Brücke zwischen Tag und Nacht wirkt.

Langsam werden unsere Füße doch etwas müde. Daher überbrücken wir einen Teil der nächsten Wegstrecke mit einem Taxi – für umgerechnet 1,50 € eine überschaubare Investition. Wir lassen uns am Rande des Stadtteils absetzen, in dem unser Hotel liegt und spazieren durch die, trotz vorangeschrittener Stunde, belebten Straßen. Es gibt einfach immer viel zu sehen.

Jahrtausende unter den Füßen

Im Hotel angekommen rasten wir kurz, legen noch ein paar zusätzliche Kleidungsschichten nach, um uns nicht den Allerwertesten wegzufrieren und ziehen weiter Richtung Jame-Mosschee (Freitagsmoschee). Sie wird als Moschee der 1300-jährigen Entwicklung iranischer Architektur bezeichnet. Ausgrabungen ergaben, dass sie um 840 auf älteren Bauten früher vorislamischer Zeit erbaut wurde. Im elften Jahrhundert schließlich entstand der Vier-Iwan-Innenhof mit seinen schönen Kuppeln am südlichen und nördlichen Teil. Mit einer Gesamtfläche von 20.000 qm ist sie die größte Moschee Irans. Gerne hätte ich sie bei Tage gesehen, doch selbst bei Nacht und ohne sie betreten zu können, ist ihr Anblick ausreichend beeindruckend. Wie ein Liebespaar stehen wir glücklich in der Mitte ihres geschichtsträchtigen Hofes und halten den Moment fest.

Das individuelle Leben unter dem Regime

Die Moschee ist umgeben von einem Bazar, dessen Läden immer noch geöffnet sind. Wir könnten uns nach Herzenslust mit diversen Dingen eindecken – unter anderem auch mit Tschadors, die werbewirksam über Puppen hängen. Doch obwohl ich in Esfahan mehr Frauen in diesen Ganzkörperschleier gehüllt sehe als in Teheran, wirken diese Läden befremdlich auf mich, da sie mein gefühltes Erleben des Landes nicht widerspiegeln. Vielmehr empfinde ich z.B. die Parallelität von Moderne und ersichtlich älterer Bestandteile des Stadtbilds als charmant. Und genauso geht es mir mit den verschiedenen Menschen auf der Straße. Keiner stört sich daran, wie der jeweils andere seine Realität lebt bzw. ausdrückt. Frauen müssen hier zwar einem Mindestmaß der verordneten Bedeckung folgen, aber untereinander gibt es keine schrägen Blicke, wie frei oder streng dies nach eigenem Maßstab ausgelegt wird. Leben und leben lassen im besten Sinne.

Ähm – sind ja doch eher dunkle Gassen, oder?

Meine kleine Jana-Blase meldet sich schließlich dringlich, weshalb wir erneut Ausschau nach einem Taxi halten, um nicht den langen Weg zurücklaufen zu müssen (zum Thema öffentliche Toiletten komme ich noch 😉 ). Auf einem Parkplatz spricht uns ein Mann an, als er unsere suchenden Blicke sieht. Elaheh redet auf Farsi mit ihm und ich folge ihnen. Als wir bei einem ganz normalen weißen Auto landen, bin ich etwas beunruhigt, bei wem wir da einsteigen. Doch ich vertraue auf Elaheh, die direkt in ein angeregtes Gespräch mit dem Fahrer gerät. Ich verstehe natürlich kein Wort, aber während der Fahrer im rasanten Tempo durch nicht enden wollende Hintergassen kurvt, bin ich außerordentlich dankbar, gerade nicht alleine in diesem Auto zu sitzen, weil ich sonst längst vor Angst einen Herzkasper bekommen hätte, wo der mit mir hinwill und ob das wirklich ein Taxifahrer ist. Hinterher erklärt sie mir, dass es ein ganz normales Zusatzeinkommen für Einige ist, ihre Fahrdienste anzubieten. Man brauch nicht bloß nach einem Taxi Ausschau halten, es gibt auch genügend andere Leute, die das einfach übernehmen. Gut zu wissen. Nach der Fahrt. 😉

Glücklich satt und übermüdet albern

Abschließend kümmern wir uns endlich um unsere Mägen und schlemmen ausgiebig in einem traditionellen Restaurant, das auch in kulinarischer Hinsicht ein echtes Highlight ist. Um uns herum sehe ich persische Familien, Paare und auch offenkundig europäische Gäste – möglicher Weise Backpacker. Jedenfalls eher im Studentenalter und betont lässig. Als wir final im Hotel ankommen, ist es mal wieder Mitternacht und ehe wir mit unserem genüsslichen Austausch über den Tag, irrwitzigen deutsch-farsi Übersetzungs-Unmöglichkeiten und Lachanfällen durch sind, dauert es doch noch etwas … dann aber sind wir wie ausgeknipst. Morgen geht es zurück nach Teheran.

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