Mit einem Fuß durch die Jahrhunderte – mit dem anderen im Jetzt

Für kurze Zeit Millionärin

Im Iran gibt es keine Möglichkeit, via Master-Card Geld zu ziehen. Ich musste mir vor meiner Reise genau überlegen, wieviel Geld ich brauche, es in bar mitnehmen und vor Ort entscheiden, wann ich wieviel wechsle.

Nun kann kann man in Esfahan (und wahrscheinlich auch andernorts im Iran) nicht nur in der Bank wechseln. Als wir uns bei dem Besitzer eines kleinen Elektro-Ladens nach einer Bank erkundigen, bietet er sich eifrig als Wechselstelle an. Wir sind uns allerdings nicht ganz so sicher, ob wir das wirklich wollen und trollen uns höflich. Elaheh ist es lieber, einen richtigen Beleg zu bekommen und ich bin ohnehin maximal verwirrt von einer offiziellen und einer inoffiziellen iranischen Währung, die beide mit deutlich mehr Nullen versehen sind, als es meinem mathematisch unbegabten Gehirn gut tut. Da kann es nicht schaden, es auf einem kleinen Zettelchen für Doofe ablesen zu können.

In der Bank werden mir so viele große Scheine überreicht, dass ich mich für einen kurzen Moment reich fühle – was ich vermutlich vergleichsweise auch bin.

An der Kasse des Palasts der 40 Säulen erwartet uns das Übliche: Für Touristen wird der doppelte Preis aufgerufen als für Einheimische. Umgerechnet empfinde ich jedoch die Eintrittspreise als Reisende aus dem Westen stets immer noch als so human, dass mich das nicht weiter stört. Doch mein Hintermann in der Schlange sieht das anders. Er meldet sich auf Deutsch zu Wort: „Ist das nicht rassistisch?“ Ich drehe mich um und habe einen jungen Perser mit seiner Freundin vor mir. Mit einem Augenzwinkern erwidere ich: „Aber hey, Rassismus ist international!“ Da muss er lachen.

Palast der 40 Säulen

Der Tschehel Sotun Palast hat 20 Zypressenholz-Säulen, doch aufgrund der Spiegelung im davor liegenden Wasserbecken wird er der Palast der 40 Säulen genannt. In seinem Inneren gibt es zahlreiche Fresken zu bewundern, darunter Schlachten aus dem 16. Jahrhundert u.a. gegen die Osmanen und den Sieg Nadir Schahs gegen die indische Armee im 18. Jahrhundert. Hier und da ist es interessant zu sehen, dass nicht nur Männer in den Mittelpunkt gestellt werden. Auch sieht man Frauen, die in genussvollen Posen schwelgen – wobei man bei alter persischer Malkunst schon manchmal genau hingucken muss, welches Geschlecht dargestellt wird.

In einem Nebenraum entdecken wir ein wunderschönes altes Mosaik-Fenster in dessen Mitte ein Pfau thront. Er gilt seit Jahrtausenden als Symbol für Schönheit und Herrschertum. Auch in der persischen Mythologie taucht er als Pfauenthron des Schahs auf, der in Anlehnung an seine Lieblingsfrau Tavus (Pfau) erschaffen worden sein soll. Doch es gibt auch andere Erzählungen, die eher nach Indien weisen. Was auch stimmen mag – dieser stolze Vogel begegnete mir im Iran immer wieder.

Armenische Geschichte in Esfahan

Um noch unsere weiteren Wunschziele des Tages zu erreichen, überbrücken wir die nächste Wegstrecke mit einem Taxi. Der Fahrer erweist sich als mitteilsamer Tour-Guide und Elaheh übersetzt fleißig für mich. Wir nähern uns dem armenischen Viertel, das auf Farsi auch so genannt wird. Der damalige Safawiden-Schahd Abbas I. deportierte im Krieg gegen die Osmanen (Anfang des 17. Jahrhunderts) die Armenier und ließ sie ihre eigene Siedlung bauen. Wir wollen die Vank-Kathedrale besichtigen, eine armenisch-apostolische Kirche, die großen Einfluss auf die Architektur zahlreicher Kirchen in der iranisch-irakischen Region hatte.

Das kleine Schöne im Großen

Doch bevor wir die Kirche betreten können, werden wir von einem jungen Perser angesprochen. Er hatte uns auf Deutsch reden hören und möchte sich gerne austauschen, da er bald mit seiner Freundin in Deutschland studieren wird. Wir reden nicht sehr lange, aber er freut sich über unseren Austausch und darüber, dass ich seine ersten erlernten deutschen Sprachbrocken verstehe, die er verlegen vorbringt. Es ist wieder eine dieser kleinen Begegnungen, die Spaß machen, weil jeder mit einem Lächeln daraus hervorgeht.

Christentum im Iran

Als wir den Kirchhof betreten, wirft die Sonne bereits ihr warmes Abendlicht auf die alten Mauern. Die Stimmung ist wunderbar friedlich. Das Innere der Kirche wirkt fast niedlich, so verschnörkelt und bunt. Dann fällt unser Blick auf eine Wandmalerei der biblischen Schöpfungsgeschichte. Die Vertreibung der Menschen aus dem Paradies wirkt dann schon nicht mehr ganz so süß und ich bin ein bisschen erstaunt über die geradezu freizügigen Darstellungen. Vielleicht aber auch nur, weil ich verhüllt davor stehe. Eventuell sollte ich mir noch einmal andere christliche Darstellungen in Gotteshäusern genauer angucken, das dürfte mein Erstaunen vermutlich relativieren. 😉

Zur Kathedrale zählt außerdem eine Bücherei, die über 700 Handschriften enthält. Ein wahrer Fundus für die mittelalterliche armenische Geschichte und Kunst. Wir besichtigen das Museum und schauen auf uralte Bibel-Ausgaben, die alleine schon aus dem Blickwinkel eines Buchliebhabers das Herz ein bisschen höher schlagen lässt. Fast erschnuppert man den Duft des alten Pergaments durch die Vitrinen.

Am Eingang stehen zwei Statuen. Die eine ist dem Gründer der ersten armenischen Buchdruckerei gewidmet, die andere dem Gründer der ersten armenischen Bibliothek. Und (uh, empfindliches Thema) neben dem Museum befindet sich ein Denkmal für die Opfer des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich (1915) sowie in seinem Inneren eine Weltkarte, auf der mit roten Leuchtdioden hervorgehoben wird, wo die Armenier überall verfolgt wurden. Neben uns gibt es durchaus noch ein paar mehr Besucher, aber es bleibt unglaublich still an diesem Ort. Er scheint jeden zu berühren.

Wir lösen uns nur unwillig, doch ehe die Sonne ganz untergeht, wollen wir doch gerne noch die Pol-e Chadschu sehen – eine Brücke, die zu den Wahrzeichen Esfahans zählt.

Trotzdem verweilen wir noch ein klein wenig im Innenhof und saugen die Atmosphäre auf. Nachdem wir in der ersten Tageshälfte rundum vom islamischen Glauben umgeben waren, fühlt sich diese christliche Enklave wie eine andere Welt an, inmitten einer Stadt, die frühste Geschichte und Gegenwart in sich vereint.

Eindrücke im Sekundentakt

Dieses Mal wählen wir trotz voranschreitender Zeit kein Taxi, sondern lassen die Gassen und Straßen im Vorübergehen auf uns wirken. Wir laufen durch das armenische Viertel, kommen noch an anderen Kirchen vorbei, beobachten Teenager, die in den Höfen beisammen sitzen und lachen, während die anbrechende Abendstimmung durch Vogelgezwitscher untermalt wird. Und immer mal wieder nehme ich interessiert wahr, wie nah Moderne, teils verwittertes Gestern und mahnendes Heute beieinander liegen.

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