Was macht Alltagsrassismus mit uns?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Alltagsrassismus salonfähig zu werden scheint. Das jedenfalls ist meine Sorge, wenn ich darüber nachdenke, was allein eine AfD dazu beigetragen hat, dass Unsägliches sagbar geworden ist. Sprache ist ein Instrument. Und die gegenwärtige Intonation mancher Menschen erschreckt mich. Ihre fehlgerichtete Angst äußert sich vielerorts in Worten und Handlungen.

Eigentlich halte ich mich für jemanden, der erst einmal das Gute in Anderen sieht. Doch ein kleines Erlebnis warnte mich letztens, dass an meiner Grundhaltung etwas ins Wanken geraten ist. Wenigstens meldete sich noch eine leise Stimme in mir, immerhin.

Alltagsrassismus oder stellvertretende Paranoia?

Ich stand bei Budni an der Kasse, hatte wieder einmal mehr eingekauft, als ursprünglich beim Betreten des Ladens geplant – das dürften insbesondere die Frauen unter euch kennen – und vor mir in der Schlange stand eine junge Muslimin mit Kopftuch. Zum Bezahlen reichte sie ihre Kreditkarte, woraufhin die Kassiererin fragte, ob die Kundin einen Ausweis zur Hand hätte. Da ich solch eine Nachfrage zum ersten Mal mitbekam, war ich irritiert. Die Kundin ebenfalls, das konnte ich an ihrem Gesicht ablesen. Aber sie folgte der Aufforderung und zeigte ihren Personalausweis vor, der gründlich studiert wurde, ehe der Bezahlvorgang abgeschlossen war.

Eigentlich hatte ich bar bezahlen wollen, aber in meinem Kopf hüpften Fragezeichen. Also entschied ich, auch mit Kreditkarte zu zahlen. Mich interessierte, ob ich mich auch ausweisen müsste.

Musste ich nicht. Und da meldete sich meine besagte leise Stimme: Frag doch einfach, Jana. Das tat ich, in aller Freundlichkeit. Mir wurde ebenso freundlich Auskunft gegeben.

Die Kassiererin ist angehalten, sich den Ausweis zeigen zu lassen, wenn die Kreditkarte nicht unterschrieben ist und sie somit die Unterschrift auf dem Kassenbeleg nicht vergleichen kann. In solchen Fällen muss sie den Namen auf der Kreditkarte mit dem Personalausweis abgleichen. Das leuchtete mir ein. Und ich war froh, nachgefragt zu haben, weil ich sonst womöglich mit einer völlig verqueren Annahme weitergegangen wäre, die unterschiedliche Behandlung könnte andere Hintergründe haben.

Wenn sich Alltagsrassismus ins absurde Gegenstück verkehrt

Es war nur ein schwacher Moment. Er hat mir allerdings gezeigt, dass ich dazu in der Lage bin, ganz schön paranoide Schubladen aufzureißen. Eigentlich total abwegig und nicht zu Ende gedacht. Aber der Impuls war da.

Ich möchte nicht zu einem Menschen mutieren, der überall das Übel wittert und sei es noch so abstrus. Das ist manchmal nicht leicht, wenn man schon hunderte üble Kommentare im Netz gelesen hat und kaum glauben kann, was da steht. Wenn man im Ehrenamt mit Geflüchteten zusammenarbeitet und erlebt hat, wie sie niederträchtig angegangen werden. Wenn man im Alltag auf Menschen trifft, deren Nebensatz eine Weltanschauung durchblitzen lassen, die man von ihnen nicht erwartet hätte. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man viel für möglich hält.

Aber es ist gerade wichtig, dass wir offen und positiv bleiben. Denn die Gegenrichtung ist eben jene Schnellstraße, auf der sich Menschen verirren und nur noch zwei Farben sehen. Schwarz und weiß. Das Leben hingegen ist bunt und Gedanken rege, wenn man sie teilen und verstehen möchte.

Wir sind alle Teil einer kontinuierlichen Kultur-Komposition

Es kann nicht immer Harmonie geben, aber wie in der Musik, zieht das Miteinander-Leben seine Kraft aus der Dynamik einer Entwicklung von Dissonanz und Auflösung. Ein Zusammenspiel, das jeher Kulturen aneinander wachsen ließ und im alltäglich Zwischenmenschlichen für uns alle eine Aufgabe ist, die kleine Selbstreflexionen erfordert.

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