Verzaubert in Esfahan

Zerzauster früher Vogel

Esfahan, 7 Uhr morgens, mein Handy-Wecker klingelt und ich blinzle aus einer Zombie-Version meines Gesichts in den Badezimmerspiegel – definitiv nicht meine Uhrzeit. Die enge Dusche fordert meine verzögert erwachende Koordination verstärkt heraus, als sich der hohle Plastik-Boden unter mir absenkt, während ich kopfüber versuche, die Haare zu waschen (die mir eigene Methode). Mein überraschtes Quieken alarmiert Elaheh: „Alles gut bei dir?“ Ich rufe zurück, dass alles bestens sei, während ich mit einer Hand an der Wand mein Gleichgewicht austariere.

Am Frühstücksbüffet probiere ich mich begeistert durch die reiche Auswahl an unbekannten Leckereien wie z.B. Karotten- und Zitronen-Marmelade. Obwohl ich eher herzhafte Kost bevorzuge, überwiegt meine Neugierde, alles zu kosten, was ich noch nicht kenne. Daher wage ich mich auch an Elahehs Lieblingsspeise heran, deren Optik mich eigentlich nicht dazu einlädt und sich leider auch geschmacklich bestätigt. Fasriges Lammfleisch find ich toll, aber nicht in sämiger Substanz gebadet zum Frühstück! Sie lacht, als ich gespielt gequält den Probier-Happen hinunterschlucke und genießt glücklich weiter.

Ein Platz – viele Namen

Die Morgensonne scheint am wolkenlosen Himmel als wir den Meidan-e Emam (Platz des Imams) betreten, der uns am Vorabend bereits verzaubert hatte. Ein persisches Sprichwort sagt: „Esfahan ist die Hälfte der Welt“ und ich bin geneigt, das zu glauben, während ich mich umblicke.

Das im 16. Jahrhundert ursprünglich als Naghsch-e Dschahan (Abbild der Welt) benannte Areal ist 560 Meter lang, zählt mit seinen fast neun Hektar Gesamtfläche zu den größten Plätzen der Welt und wurde 1979 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Bevor er nach der islamischen Revolution zu Ehren Ajatollah Chomenis seinen jetzigen Namen erhielt, hieß er über Jahrhunderte Königsplatz.

An seiner Westseite erhebt sich die Hohe Pforte, ein beeindruckendes Gebäude, dessen offene Säulenhalle König und Hofstaat z.B. freien Blick auf Polospiele bot, die auf dem Platz abgehalten wurden. Allerdings sind es nicht die 18 Zedernholzsäulen, denen das Gebäude seinen Namen zu verdanken hat, sondern sein mittiger Durchgang, der zum 1647 entstanden „Gartenpalast der 40 Säulen“ führt. Dazu später mehr.

Mein Lieblingsort in Esfahan

Uns zieht es weniger auf die Tribüne der Hohen Pforte, stattdessen wenden wir uns zunächst der Ostseite zu, auf der die Scheich-Lotfollah-Moschee liegt. Vor Ort erfahre ich, dass sie ausschließlich für Frauen vorgesehen war. Ob das so stimmt, sei dahingestellt, aber der Gedanke ist schön. Die Tatsache, dass es einen unterirdischen Gang gibt, der sie mit der Hohen Pforte verbindet, um weibliche Angehörige der Königsfamilie vor fremden Blicken zu schützen, spräche dafür. Doch bevor die Königsmoschee gebaut wurde, diente sie dem Schah und seiner Familie, insofern mag das auch einfach dieser Historie entspringen.

Da es noch so früh am Morgen ist, sind wir ganz alleine in der Moschee und können die Atmosphäre in aller Stille genießen. Verzaubert von den Lichtspielen aus unterschiedlichen Perspektiven recken wir die Köpfe gen Decke und sind zutiefst beeindruckt von der Architektur, die ganz bewusst mit dem Lichteinfall der Sonne zu verschiedenen Tageszeiten spielt. Im Osten der Moschee erzählen die blauen Schriftzeichen auf weißen Grund von Geschichten zum Sonnenaufgang, entsprechend handeln sie auf der Westseite vom Sonnenuntergang.

Ein zufällig vorbeischauender Mitarbeiter macht uns auf einen Lichtkegel aufmerksam, der in der Deckenmitte gleich einer Sonnenuhr mitwandert. Wir können uns kaum von diesem friedlichen Ort lösen. Elaheh lässt sich sogar dazu hinreißen, einen Gesang auf Farsi anzustimmen. Er hallt sanft von den Wänden wider und ich bin leise verliebt in diesen Ort.

Die Welt vereint durch Bücher

Ehe wir uns aufmachen, die Königsmoschee an der südlichen Seite des Platzes zu besuchen, spricht uns ein junger Perser an. Genauer gesagt fragt er Elaheh, ob ich vielleicht Interesse an einem Teppich haben könnte, als er mich als Touristin ausmacht. Ich bekomme mit, worum es geht und nicke ihm entschuldigend zu, als Elaheh verneint, ob mir danach der Sinn steht. „Oh no, don’t apologize! You don’t have to, it’s totally ok.“ Wir schlendern noch etwas über den Platz, ehe er uns erneut begegnet und dieses Mal nimmt er die Gelegenheit wahr, uns auf einen Tee einzuladen. „Don’t worry, I don’t want to sell you any carpet, it’s just an invitation.“ Wir nehmen die Einladung lachend an und sitzen wenig später entspannt in seinem Geschäft im Bazar beisammen. Er fragt mich schließlich, wie es kommt, dass ich den Iran besuche, und ich erzähle ich ihm von dem Buch Cochsurfing im Iran. Da muss auch er lachen: „Oh, you are talking about Stephan! I know him, he was here with me!“ Wir trinken gleich noch einen zweiten Tee zusammen und er hätte einen Comedy-Preis für seine Schwitzer-Dütsch-Imitation verdient, denn in den Schweizern findet er seine Hauptkundschaft vor. Hamid gibt uns gleich noch ein paar Tipps mit auf den Weg, die unsere Auswahl für die weiteren Erkundungen erleichtern – u.a. eben auch, dass es sich nicht wirklich lohnt, die Hohe Pforte zu besuchen, sondern lieber andere Sehenswürdigkeiten mitzunehmen. Da wir eine beachtliche Liste für den Tag vor uns hatten, erwiesen sich seine zahlreichen Hinweise als sehr hilfreich.

Ich hätte mal wieder ewig dort sitzen bleiben können, aber Elaheh treibt uns an: „Wir haben noch so viel zu begucken!“ Sie hat ja recht. Also verabschieden wir uns mit den besten Wünschen und machen uns auf, um gleich nebenan die Königsmoschee zu beschauen. Und auch hier erwartet uns eine nette Begegnung …

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